Guten Morgen aus Bad Belzig! Nach einer angenehmen Nachtruhe haben wir entspannt die Taschen befüllt, sind in unsere frisch gewaschenen Radhosen gestiegen und haben uns auf den Weg zum Bahnhof gemacht, um ein kleines Frühstück zu ergattern. Außerdem wollten wir herausfinden, wie es sich anfühlt, auf den Regionalexpress zu warten, um die heutige Etappe zu halbieren. Bei Kaffee und Croissant entschieden wir aber recht schnell, dass wir früh genug dran und motiviert genug sind, um uns bereits an Tag Zwei auf die mit 90 geplanten Kilometern längste Etappe der Tour zu begeben.
Die ersten 6 km ging es bei moderater Steigung kontinuierlich bergauf. So fuhren wir uns recht schnell warm un dfreuten uns de ganze Zeit, dass es danach mehr oder weniger ebenso kontinuierlich für 50 Kilometer leicht bergab über Brandenburger Landstraßen gehen würde. Wettertechnisch hatten wir in der Vorbereitung an alles gedacht: von Sonnencreme, luftigen über warme Longseeves und Beinlinge bis hin zum wasserdichten Outfit. Woran wir allerdings keinen Gedanken verschwendet hatten, war ein anderes Wetterphänomen: Gegenwind! Heute schien die Sonne zwischen malerischen Wölkchen auf uns hinab und dazu wehte uns eine steife Brise ins Gesicht, die unseren Schnitt, der in der Ebene sonst so bei 16-17 kmh liegt, in richtung 12 kmh drückte und uns das Gefühl bescherte, dennoch permanent bergauf zu fahren.
Die Landschaft wechselte zwischen Feldern bis zum Horizont und kleinen Wäldchen, zwischendurch gerieten wir in eine Baustelle, bei der noch bis 2018 ein ganzes Dorf umgegraben wird. Dort fehlte nicht nur die Fahrbahn, sondern auch die Bürgersteige, so dass die Anwohner teilweise ihre Haustüren nicht mehr benutzen können. Hier mussten wir einen Kilometer schieben, was aber für den Allerwertesten auch mal ganz angenehm war. Außerdem wechselten wir heute in das dritte Bundesland der Tour. Wir verließen Brandenburg und radeln seitdem in Sachsen-Anhalt.
Da der Europaradweg R1 für uns einen großen Umweg auf dem Weg nach Dortmund bedeutet hätte, hangelten wir uns heute übrigens über den Fläming- und später über den Saaleradweg zu unserem Ziel, das wieder am R1 liegt. Bis auf kurze Verschnaufpausen gab es bisher aber nichts besonderes zu sehen, nur die Weite und Ruhe dieser dünn besiedelten Region, zum Radfahren wirklich angenehm.
Dann war auf einmal Schluss – nach ein paar Kilometern auf einem asphaltierten Weg zwischen zwei Feldern tauchte ein Waldstück vor uns auf, das einem Sturm zum Opfer gefallen sein musste. Gefühlt lagen der überwiegende Teil der Bäume entwurzelt oder abgeknickt auf dem Boden (und vor allem auf dem Weg) und mit den Rädern kamen wir weder drumherum noch oben drüber – außerdem war es ja immernoch recht windig, so dass wir uns in dem Waldstück eh nicht wirklich hätten aufhalten wollen. In der Konsequenz hieß das also umdrehen und umfahren, was für die Gesamtlänge der heutigen Etappe (hatten wir erwähnt, dass es schon nach Plan die längste der Tour war?) zusätzliche 5 Kilometer auf der Uhr brachte.
Eigentlich freuten wir uns vor allem nach dem Umweg schon seit einigen Kilometern auf eine ausgiebige Pause in irgendeinem Biergarten in dem einzigen größeren Ort bei Kilometer 50: Zerbst. Leider eine absolute Enttäuschung und kein Biergarten weit und breit, daher entschieden wir uns für Picknick-Zutaten aus dem Supermarkt und eine schöne Bank am Teich. Viel bessere Alternative!
Weiterhin mit Gegenwind ging es auf ungeschützten Straßen Richtung Elbe, wo wir mit einer kleinen Gierseilfähre übersetzten, die an einer Kette zwischen den Ufern pendelt. Der Fluss schien so eine Art Wetterschwelle zu sein, denn am anderen Ufer hörte doch tatsächlich der Gegenwind auf, endlich! Die Landschaft änderte sich ein wenig, Wälder sahen wir keine mehr, dafür kamen Wiesen und Auen in den Überlaufgebieten der Flüsschen hinzu. Entlang der Saale führte uns ein nicht immer ganz komfortabler Radweg die letzten 40 Kilometer bis zu unserem Schlafplatz. Nach einem letzten Sprint (um den Mücken zu entkommen) über drei Kilometer Waldweg, der teilweise noch unter Wasser stand, hatten wir es endlich geschafft und sonderlich spät war es auch nicht geworden. Wir wurden für eine Nacht zu Schlossherr und Burgfräulein im Schloss Hohenerxleben, das im Jahre 1205 zum ersten Mal namentlich erwähnt wurde. Unser Zimmer im Turm war wunderbar, die Pfifferlinge und das Bierchen in Ordnung – damit sagen wir ein weiteres Mal gute Nacht und bis morgen, wenn es wieder heißt: rein in die Radlerhose und weiter gen Westen!