Heute leider keine supertollen Fotos mit schönen Impressionen, sondern der Hergang einer Tragödie.
Eines der schrecklichsten Szenarien, das wir uns vor einer Reise in einem 30 Jahre alten Fahrzeug, welches für ein paar Wochen einen Großteil unseres Hab und Guts beherbergt, vorstellen konnten, ist das folgende:
Du bist am Meer aufgewacht, hast in der Sonne gefrühstückt, bist zum Hafen gefahren, wo die Fähren ablegen, die dich in die wunderschönen südlichen Schärengärten von Göteborg bringen, hast deinen Van dort auf dem von der Touristeninformation empfohlenen, bezahlpflichtigen, in einem Wohnviertel gelegenen Parkplatz abgestellt, die wichtigsten Objektive, eine Flasche Wasser und für alle Fälle die Regenjacken in deinen Rucksack gesteckt und bist in freudiger Erwartung in See gestochen.
Dann hast du einen tollen gemeinsamen Tag auf einer der Inseln verbracht, auf dem Rückweg auf das Wasser schauend an weiteren Plänen für den Nachmittag geschmiedet und dann erblickst du gegen 15 Uhr aus der Ferne auf dem Parkplatz dein geliebtes rollendes Zuhause.
Doch irgendetwas stimmt da nicht – das Seitenfenster, das dort offen steht wie ein Scheunentor, hast du seit Jahren nicht benutzt, was ist da los? Du beschleunigst deinen Schritt gemeinsam mit dem Herzschlag, um das offensichtliche Missverständnis zu klären, doch es ist keins. Sämtliche Türen sind entriegelt, die ordentlich eingeräumten Kisten, Taschen und Täschchen liegen wild durcheinander im Innenraum, das Fenster weist eindeutig Hebelspuren eines Brecheisens auf. Du bist ausgeraubt worden.
Am Sonntag ist für uns dieses Gedankenspiel traurige Wirklichkeit geworden.
Was für eine Scheiße! Was haben wir alles im Wagen gehabt? Was haben diese Arschlöcher mitgenommen? Was ist noch da? Wie erreicht man hier die Polizei? Wo sind wir überhaupt und wie heißt die Straße? Oh nein, wo ist das 5 Monate alte Surface 4 alias Wolfgang, Annis Arbeitsgerät und Belohnung für das endlich abgeschlossene Referendariat? Sind die Daten gesichert? Fuck, das Tablet ist auch weg und natürlich der Fotorucksack mit den restlichen Objektiven und sämtlichem, über die Jahre zusammen gekauften und geschenktem Zubehör, diese Hurensöhne! Puh, die drei wichtigsten Objektive hatten wir ja dabei, ebenso die digitale Spiegelreflexkamera und da sind auch noch alle Fotos drauf… Arrrrgh – die GoPro haben wir im Auto gelassen, auf deren Speicherkarte auch noch jede Menge Zeitraffer sind, die wir nicht gesichert haben – elende Wichser die! Schau mal das Handschuhfach ist offen, was war da denn drin? Na toll, Annis Handy, der Akku war leer, wozu also mitschleppen, nicht wahr? So ein Dreck! Was ist mit Daten darauf? Das Handy hat eine Display-Sperre, soweit so gut, trotzdem erstmal Passwort bei Google ändern, man wo ging das nochmal, verdammte #*&#. Oh kacke – auf dem Tablet sind keine Sperren eingerichtet, was war da installiert? Kann man damit noch mehr Schaden anrichten? Da konnte man doch irgendwie die Sperre aus der Ferne einschalten, wie ging das nochmal, ach ja da – hoffentlich funktioniert das auch, sowas testet man ja vorher nicht. So eine Scheiße! Jetzt erstmal Polizei anrufen, dass die herkommt – gut, das wir Englisch sprechen und die Schweden auch.
Name, Adresse und sonstige Lebensdaten angeben, wo steht der Wagen, was ist weg, wann ist das passiert? Alles klar, wir haben auch mal eine Frage: Wann kommt hier die Kavallerie und nimmt Fingerabdrücke und sammelt DNA-Spuren? Habt ihr hier nicht vielleicht eine Überwachungskamera, das wäre doch mal sinnvoll, wir waren ja schon immer für die totale Überwachung, ja und Hände abhacken könnte man auch mal wieder einführen, elende Dreckskerle … Wir driften ab.
Ein Polizeiwagen kommt dafür in Schweden nicht raus, aber wir könnten ja zur nächsten Wache fahren, dort gäbe man uns einen Ausdruck des Berichts für die Versicherung … Ja danke, machen wir doch gerne, wo auch immer die nächste Wache sein mag. Sie ist in Möldal, zehn Kilometer, na gut, wir fahren dann mal, danke fürs Gespräch.
Dort angekommen, erstmal den Wagen abschließen und alles wertvolle, was nicht geklaut wurde, in den Rucksack packen, dann ordentlich abschließen. Was ist das denn, der Schlüssel dreht sich im Schloß, aber der Knopf bewegt sich nicht… Och neeee, direkt wieder Puls, solche gottverdammten Hurensöhne! Ein Loch unter dem Griff in der Fahrertür, verdammte Scheiße. Gibt es etwa ein „How To Open a VW Campervan für Dummys“ und da steht sowas drin? Kacke! Na immerhin kann man den Knopf von innen runter drücken und so den Wagen abschließen. Die Scheiben sind auch noch alle ganz – hätte auch schlimmer kommen können. Trotzdem! Vermalledeite Riesen#*&#!
So, dann mal zu den Bullen, wo ist denn hier der Eingang? Nicht euer ernst! Die Wache hat zu. Es ist ja Sonntag. So langsam ist dann aber auch mal gut für heute.
Nächste Wache? Göteborg, na toll, da wo laut Reiseführer dauernd Autos aufgebrochen werden, dann mal los. Geöffnet, wie schön! Nummer ziehen, von der empathischen Diensthabenden den zuvor telefonisch aufgegeben Bericht ausgedruckt und alles Gute gewünscht bekommen. Solche Einbrüche haben sie hunderte am Tag, das sei, um ehrlich zu sein, ein Fall für die Versicherung und nicht für die Polizei. Mit dem entsprechenden Aktenzeichen sollte sich das regeln lassen.
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Ja, so war das – schön, dass wir das auchauf unserer Bucketlist abhaken können, liegen bleiben mit Motorschaden hatten wir ja schon. Auf die deutlich schlimmeren Szenarien „Unfall“ oder gar „schwerer Unfall“ und statt Einbruch vielleicht noch „Diebstahl des gesamten Fahrzeugs“ verzichten wir dann aber gern.
Ein paar Lektionen haben wir darüber hinaus gelernt: Ohne Teilkasko ist der (relativ geringe) Schaden am Fahrzeug natürlich nicht versichert. Und ohne das Zusatzpaket „irgendwas mit PKW und Ausland“ ist auch der gestohlene Hausrat nicht versichert. Insgesamt also über den Daumen 3000 Euro Lehrgeld.
Schwerwiegender als der finanzielle Verlust ist am Anfang aber das eklige Gefühl gewesen, dass jemand in unser Zuhause eingedrungen ist, unsere Sachen durchwühlt hat und jetzt irgendwo sitzt und versucht unsere Geräte mit Daten, Fotos und Erinnerungen zu verscherbeln. Ist man überhaupt irgendwo sicher? Können wir Irma noch auf unbewachten Parkplätzen stehen lassen, um eine Radtour oder einen Spaziergang oder einen Einkauf zu machen? Was hätten die Diebe angestellt, wenn sie nicht auf Anhieb fündig geworden wären? Was ist jetzt mit dem Urlaub? Kann das auch passieren, wenn wir abends im Wagen liegen? Reicht da die Bratpfanne zur Selbstverteidigung?
Die Polizistin hat uns versichert, dass man sich dagegen nicht besser hätte schützen können, als wir es getan haben. Klar, dass wir das entsprechende Versicherungspaket vermutlich nicht haben ist dämlich, Equipment in der Größenordnung im Wagen zu lassen im nachhinein betrachtet vermutlich auch – wobei es natürlich nicht offen herum lag und der Parkplatz uns als einer der sichersten vorkam auf denen wir Irma je haben stehen lassen. Nichts desto trotz wurde unser Vertrauen in die Menschheit kurzzeitig erschüttert.
Da wir nicht in Göteborg übernachten wollten, sind wir auf einen 50km entfernten Campingplatz gefahren und haben uns dort eine Hütte genommen, um das ganze sacken zu lassen und Irma in aller Ruhe in einen bewohnbaren Zustand zurück zu versetzen – das letzte Highlight des Tages kam dann kurz vor dem Zubettgehen: Diese verdammten #*&@#*&# haben doch tatsächlich neben der ganzen Elektronik unsere Kulturbeutel mitgehen lassen – sauber!
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Epilog: Mittlerweile hat Schwedens Landschaft und das Wetter es geschafft, uns zu versöhnen und uns wieder völlig zu entspannen. Wir sitzen in der Sonne, lesen und schreiben und aus dem ursprünglichen Wunsch, sich so schnell wie mit dem durstigen Irmchen möglich zurück nach Berlin zu brausen, ist wieder Urlaubsfeeling geworden. Freies Übernachten im Wagen auf Stellplätzen, an Häfen und Strandbädern fühlt sich wieder so gut wie immer an und nach Ausflügen kehren wir ohne Magengrummeln zum Wagen zurück.
Für die Diebe haben wir folgende Info erstellt, mögen sie der englischen Sprache mächtig sein.
Auf die Berichte und Fotos der anderen Tage müsst ihr wegen diesen Umständen also etwas warten, da wir die Bilder von der Kamera zur Zeit leider nicht entwickeln können. Der verbliebene Akku der Canon ist außerdem fast leer und das Ladegerät geklaut, so dass wir sparsam mit dem Knipsen sein müssen – fast wie in analogen Zeiten und Anni kann dank des Verlusts sämtlicher digitalen Arbeitsmittel mal so richtig abschalten.
Karin
Puhh was soll man dazu sagen? Sprachlos seid ihr mittlerweile jedenfalls nicht mehr und gut gelaunt auch wieder! Gut so weiter so!!! Chapeau
Gerhard Wagner
Ach du Kacke, wie doof ist das denn? Aber Hauptsache, ihr seid okay. Gut, dass ihr euch den Scheiß so wegverbalisieren konntet, immerhin ein kleines Ventil.. Wussten gar nicht, dass in Schweden so geklaut wird.. Bis bald und ihr habt es schon super im Griff. G+A
Chris
Könnt Ihr Euch noch an den Bericht von der Reise mit dem Tuk Tuk um die Welt erinnern? Die ganze Welt haben sie umreist und wo wurden sie überfallen? In Europa, in Frankreich, wo alles so viel besser ist! Erinnert mich ein wenig an Euch. DIe halbe Welt bereist und im offenen, toleranten und freien Skandinavien ausgeraubt. Zum Glück seid Ihr zu dem Zeitpunkt nicht im Bus gewesen. 😕 Erholt Euch noch von dem Schock und kommt jut heim!